Mantelgesellschaft - Alternative zum klassischen IPO

GoingPublic: Unterschied zwischen SPAC und Mantelgesellschaft

Die wurde im April dieses Jahres gegründet und ist seit Anfang Oktober als Mantelgesellschaft an der Börse Düsseldorf gelistet. Gesucht wird für den Börsenmantel nun ein Zielunternehmen vornehmlich mit industriellem Schwerpunkt. GoingPublic sprach mit CEO Werner Weiß über die Zukunftspläne der Gesellschaft.

GoingPublicSehr geehrter Herr Weiß, die notiert seit Oktober neu an der Börse Düsseldorf und dürfte noch nicht jedem Marktteilnehmer bekannt sein. Können Sie bitte einen kurzen Einblick zu der von Ihnen gegründeten Mantelgesellschaft geben.

Werner Weiß: Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen im Venture Capital- und Corporate Finance-Umfeld habe ich bereits vor einigen Jahren eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Schwerpunkt Pre-IPO-Beteiligungen gegründet. Dabei wurde ich immer wieder mit Capital Pool Companies (CPC) konfrontiert, einer in Toronto üblichen Methode, um an die Börse zu gehen.

GoingPublic: Das müssen Sie etwas genauer erklären …

Werner Weiß: Das Verfahren wird als Reverse Merger, oder Cold Listing bezeichnet. Das heißt, es wird zunächst eine Mantelgesellschaft gegründet und anschließend an die Börse gebracht. In diesen Mantel wird im dritten Schritt eine Zielgesellschaft eingebracht, die damit an der Börse gelistet ist.

GoingPublic: In Kanada ist diese Methode bisher populärer als in Deutschland?

Werner Weiß: Ja, in Kanada sind bereits mehr als 2.800 Gesellschaften auf diesem Wege an die Börse gegangen, in Deutschland ist dieser Modus weniger bekannt. Der Ablauf ist ja denkbar einfach: Die bereits gelistete Mantelgesellschaft beschließt eine Sachkapitalerhöhung über die Einbringung einer Zielgesellschaft gegen Ausgabe von neuen Aktien. Der Anteil der Altaktionäre an der gelisteten Mantelgesellschaft wird dabei planmäßig auf wenige Prozent verwässert, die „Neuaktionäre“, sprich die Gesellschafter des eingebrachten Unternehmens, halten anschließend die Mehrheit und haben nunmehr das Sagen. Anschließend wird der Name der börsengelisteten AG geändert, Vorstand und Aufsichtsrat ausgetauscht und die Satzung neu geschrieben.

GoingPublic: Aber der neuen Gesellschaft fließt durch die Einbringung doch kein Kapital zu, also warum wird nicht einfach ein normaler Börsengang umgesetzt?

Werner Weiß: Ein „normaler“ Börsengang, sprich ein „Initial Public Offering (IPO)“, ist natürlich die Komplettlösung, bestehend aus dem öffentlichen Angebot inklusive Kapitalerhöhung, der anschließenden Notierungsaufnahme und begleitenden PR/IR-Aktivitäten. Diese drei Funktionen werden bei einem IPO als ein Paket umgesetzt, bei einem hingegen Schritt für Schritt. Man beginnt mit dem Listing, wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, folgen PR/IR-Maßnahmen und zu einem späteren Zeitpunkt opportunistisch eine Kapitalerhöhung.

GoingPublic: Das klingt jetzt aber nach einem längeren Prozess …

Werner Weiß: Im Gegenteil, ein normaler Börsengang braucht sicherlich 12 bis 16 Monate Vorbereitungszeit und hat erhebliche Vorlaufkosten. Ein Reverse IPO hingegen kann in wenigen Wochen umgesetzt werden, und selbst wenn sich die anschließende PR/IR-Phase in die Länge ziehen würde, besteht immer noch ein erheblicher Zeitvorteil und Kostenvorteil – es geht sozusagen auf der Überholspur an die Börse. Dazu kommt noch das Timing-Risiko beim klassischen IPO.

GoingPublic: Timing-Risiko?

Werner Weiß: Ja, es gibt immer wieder Zeiten, in denen sich ein IPO aufgrund eines eingetrübten Marktumfeldes nicht realisieren lässt. Der Worst Case besteht darin, dass nach mehr als einem Jahr Vorbereitungszeit eine internationale Krise, ein Krieg o. Ä. stattfindet und ein normaler IPO in dieser Phase nicht umsetzbar ist. Im Gegensatz dazu ist ein Reverse IPO in jeder Börsenphase möglich.

GoingPublic: OK, es gibt gewisse Vorteile eines Reverse IPOs gegenüber einem normalen Börsengang. Aber wurde das nicht auch von SPACs behauptet? In den vergangenen Jahren sind mehrere Hundert Gesellschaften über einen SPAC an die Börse gegangen und die Erfolgsbilanz ist – vorsichtig gesagt – durchwachsen. Was ist bei einer Mantelgesellschaft anders?

Werner Weiß: Nun, ein SPAC unterliegt einer sehr strengen Regulatorik, die ja bereits in den 1990er Jahren von der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC geschaffen wurde. Die Nachfrage nach SPACs ist immer dann am größten, wenn normale IPOs nicht machbar sind. So war es in den Jahren 2002/2003 nach dem Platzen der New-Economy-Blase und eben auch in den vergangenen beiden Jahren. In Europa wurde diese Regulatorik adaptiert und meist mit Luxemburger Gesellschaftsrecht umgesetzt.

Der wesentliche Nachteil besteht m. E. im Kündigungsrecht der SPAC-Aktionäre, d. h. nach der Einbringung einer Gesellschaft haben die Aktionäre ein Kündigungsrecht, das es Ihnen ermöglicht, das eingesetzte Geld zurückzubekommen. Natürlich dient das dem (berechtigten) Anlegerschutz. Für die gesamte Struktur ist das jedoch ein Lotteriespiel, da während des Prozesses unklar ist, wie viele der SPAC-Aktionäre auch Aktionäre der neuen Gesellschaft bleiben.

GoingPublic: Und vielleicht noch zur Erläuterung: Der Begriff SPAC steckt ja in der drin. Warum haben Sie diese Firmierung gewählt, obwohl Yggdrasil eine klassische Mantelgesellschaft ist und kein SPAC?

Werner Weiß Ja, im Nachhinein war diese Firmierung vielleicht nicht ganz glücklich gewählt. Die Intention dahinter war, dass man vom Sprachgebrauch her mit dem Begriff SPAC als einer börsennotierten Mantelgesellschaft eher mehr anfangen kann als z. B. mit der Firmierung „xy-Mantelgesellschaft“.

GoingPublic: OK, Ihre Mantelgesellschaft ist also bereits an der Börse und Sie sind auf der Suche nach einer geeigneten Zielgesellschaft. Wie würden Sie denn eine mögliche Zielgesellschaft eingrenzen?

Werner Weiß: Für die Börsenreife gelten im Prinzip die gleichen Kriterien wie für einen normalen Börsengang, nur eben deutlich entspannter. Neben einem funktionierenden Rechnungswesen sollte das Management der Zielgesellschaft eine klare und ambitionierte Wachstumsstrategie haben. Ich würde die wichtigsten Kriterien so beschreiben: Einen Umsatz in der Größenordnung von mindestens 20 Mio. Euro, ein jährliches Wachstum von mindestens 20 Prozent und einen positiven Cashflow.

GoingPublic: Warum ist Ihnen ein positiver Cashflow besonders wichtig?

Werner Weiß: Sehen Sie, ich halte nicht besonders viel von gehypten Themen, die oft völlig „overfunded“ sind, aber noch nie Geld verdient haben. Ein Reverse IPO ist natürlich auch ohne das Kriterium eines positiven Cashflows möglich, aber mir sind gewachsene Strukturen und profitables Wachstum lieber.

GoingPublic: Und die anderen Kriterien?

Werner Weiß: Sind natürlich ebenfalls nur eine sehr grobe Orientierung. Bei einem Jahresumsatz von über 20 Mio. Euro gehe ich von professionellen Strukturen aus, inklusive einem funktionierenden Rechnungswesen, das dann für eine unterjährige Berichterstattung erweitert werden kann. Das Wachstum von mindestens 20 Prozent, um auch eine interessante Börsenstory zu entwickeln, kann natürlich auch gerne mehr sein (lacht).

GoingPublic: Gibt es noch weitere Kriterien?

Werner Weiß: Ja, durchaus. Aus regionaler Sicht liegt der Fokus auf Deutschland und Österreich. Was die Wunschbranche angeht, sind insbesondere Software, Medizintechnik, Gaming, Mechatronik, Robotik, Laser, neue Werkstoffe etc. relevant. Eigentlich alle Branchen, die eine Asset-Light-Struktur besitzen.

GoingPublic: Konnten Sie erste potenzielle Ziele bereits genauer unter die Lupe nehmen oder haben auch schon Gespräche stattgefunden?

Werner Weiß: Aktuell bin ich bereits mit den ersten Gesellschaften im Gespräch – naturgemäß eine bunte Mischung von völlig absurd bis sensationell. Eine gute Nachfrage gibt es u. a. aus den Branchen Software, Robotik und Gaming, mehr kann und darf ich allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. 

GoingPublic: Haben Sie auch Kontakte zu Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften? Mit dem Thema eines unkomplizierten Börsengangs müssten Sie dort doch offene Türen einrennen?

Werner Weiß: Ja, in der Tat ist das Interesse bei VCs und PEs sehr groß. Die Kunst besteht hier immer im Abgleich des bereits bestehenden Investitionszyklus mit dem Reverse IPO. So ist z. B. eine Buy-and-Build-Strategie sehr elegant umzusetzen, da nach dem Listing die eigenen Aktien als Akquisitionswährung verwendet werden können. Bei der Exit-Strategie wird das Listing mit einem OTC-Trade kombiniert. Das heißt nach dem Listing wird aktiv ein alternativer Investor gesucht und das Geschäft wird außerbörslich abgewickelt, dadurch kann ggf. eine bessere Bewertung erzielt werden und auch ein Teil-Exit ist möglich.

GoingPublic: Dann drücken wir Ihnen die Daumen, dass Sie viele interessante Gespräche mit spannenden Gesellschaften führen. Wenn ich unser Gespräch nochmals zusammenfassen darf, dann haben Sie durch das Listing Ihrer Mantelgesellschaft die mühselige Vorarbeit geleistet, um ein Zielgesellschaft dann in einem sehr unkomplizierten Prozess einzubringen. Der Vorteil liegt in der Ersparnis von Zeit und Geld, ohne Timing-Risiko.

Werner Weiß: Perfekt, besser und kürzer hätte ich es nicht zusammenfassen können (lacht).

Herr Weiß, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Suche nach der perfekten Zielgesellschaft!

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